10. August 2022 Bundeskanzler in Michendorf

Ziemlich genau vor einem Jahr, im August 2021, war der Kanzlerkandidat und SPD-Direktkandidat für den Bundestag Olaf Scholz bereits im Gemeindezentrum Langerwisch zum Bürgergespräch. Wir wussten alle schon vor einem Jahr, dass es nicht einfach sein würde, wenn er tatsächlich Bundeskanzler wird und die Probleme lösen. Nun ist er Bundeskanzler und die Krisen und Herausforderungen sind noch einmal deutlich größer geworden. Im Ortsvereinsvorstand der SPD entwickelte sich daraufhin im Juni schnell die Idee, ihn erneut genau an denselben Ort einzuladen, um das Gespräch fortzusetzen: „Hallo Herr Bundeskanzler, hallo lieber Olaf, und wie ist es nun?“

Es ist doch ein Unterschied, ob ein Kanzlerkandidat zum Bürgergespräch kommt, oder der gewählte Bundeskanzler in einer schwierigen Weltlage, zumindest was die Sicherheitsanforderungen angeht. Die organisatorischen Fragen waren schnell geklärt. Aber nahezu täglich kamen neue Nachrichten, was an Sicherheitsbedingungen noch erfüllt werden muss. Abgesehen von einer Anmeldung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, einer Begehung der Liegenschaft mit Spürhunden mussten kurz vor dem Termin die Biergläser wieder abbestellt werden und Pappbecher her. Dass Olaf Scholz offiziell gewählter Abgeordneter für Michendorf im Bundestag ist und wir als SPD-Michendorf meinten, auch alle anderen demokratischen Parteien und Wählerorganisationen zum Bürgergespräch kommen sollten, musste auch erklärt werden. Man darf wohl sagen: in Michendorf sind wir durchaus politisch, aber nicht dogmatisch. Wir streiten uns über Sachfragen, aber es ist nicht damit zu rechnen, dass ein Bürgergespräch vom politischen Wettbewerber „zum Platzen“ gebracht wird, weil extreme Positionen aufeinander prallen.

Überhaupt die politische Lage: Dass nicht genug Michendorferinnen und Michendorfer kommen würden, sahen wir nicht als Problem an. Es gab dann leider auch deutlich mehr Anmeldungen als Platz war, so dass das Wahlkreisbüro Absagen versandt werden mussten. Ebenso waren wir nicht besorgt, dass niemand fragt oder Kritik übt. Dafür gibt es schon allein innerhalb der SPD genug kontroverse Themen und Diskussionen zur Weltlage, die es nicht langweilig werden lassen würden. Eher besorgt waren wir: Was machen wir, wenn er kurzfristig absagt? Wie verfahren wir, wenn er aufgrund aktueller Entwicklungen wieder schnell weg muss? „Nah dran“ war die Lösung.

(im Hintergrund Detlef und Marianne Baer)
(Band „Nah Dran“)

Marianne und Detlef Baer hatten die Lösung. Wir rahmen das Bürgergespräch mit Livemusik. Sie kannten die beiden Musiker, die Band „Nah dran“. Livemusik, so war die Überlegung, ist auf jeden Fall gut, da die Themen, die besprochen werden würden  nicht gerade zur Erheiterung beitragen. Ich glaube, es war eine sehr gute Lösung und das Bürgergespräch hat dadurch gewonnen.

Es kamen rund 150 Michendorferinnen und Michendorf, wobei dies nicht ganz richtig ist, denn über 15 Journalisten aus ganz Deutschland waren mit dabei. Sie wollten hören, was der Bundeskanzler den normalen Bürgerinnen und Bürgern in seinem Wahlkreis in einer kleinen Gemeinde sagt, die von der Weltlage teilweise sehr besorgt sind. Inhaltlich wurden dann praktisch alle großen Themen aufgerufen. Von den Waffenlieferungen an die Ukraine, über die Gas- und Energiekrise, die Preissteigerungen und Inflation bis hin zur Corona-Lage und den Impfempfehlungen. Olaf wollte alle Fragen beantworten, kündigte an, keinen Anschlusstermin zu haben. Aber angesichts der vielen Arme, die hoch gingen, war es nicht zu schaffen. Über zwei Stunden auf einfachen Bierbänken zu sitzen, ist dann doch eine echte Herausforderung, nicht nur ältere Menschen. (Bemerkenswert war, dass sich der Bundeskanzler sogar an einzelne Fragesteller und Fragen aus dem letzten Jahr erinnerte! Michendorf hat doch einen größeren Erinnerungswert, wie man feststellen konnte).

(Olaf Scholz, Volker-Gerd Westphal)

Ich kenne Olaf Scholz schon etwas länger. Ich vertraue ihm. Besonders gut gefällt mir, dass er nicht derjenige ist, der laut und schnell einfache Lösungen ankündigt. Man merkt ihm an, dass er sorgfältig überlegt und formuliert, bevor er antwortet. Ich ärgere mich auch darüber, dass in der Bundesregierung mancher Kompromiss geschlossen wird, der mir nicht richtig einleuchtet. Da gibt es einen Koalitionspartner, der sich früher eher als Friedenspartei verstand und strikt gegen Waffenlieferungen war. Wehrdienstverweigerung war dort quasi eine Standardhaltung. Und jetzt plötzlich werden sie zu Spezialisten für schwere Waffen und fordern öffentlich gemeinsam mit einer Vertreterin des anderen Koalitionspartners, die Lieferungen schwerer Waffen auszuweiten, ohne das absehbar ist, wie der Krieg und das Töten damit beendet werden könnte. Dann ist da der andere Koalitionspartner, der die Gratismentalität in Deutschland nicht befördern will – Stichwort 9-Euro-Ticket – und für den die Freiheit auf den Autobahnen mehr Bedeutung hat, als die Energieknappheit, der Klimawandel und die sozialen Verwerfungen in Deutschland, die jetzt vertieft werden, wenn das tägliche Leben auch für Menschen der Mittelschicht drastisch teurer wird. Studierende, aber auch Rentnerinnen und Rentner drohen dabei ganz aus dem Auge zu geraten? Dass es der Bundeskanzler angesichts dieser unterschiedlichen Auffassungen nicht leicht hat, öffentlich schwierige Fragen so zu beantworten, ist nur zu verständlich; schließlich ist er der Regierungschef. Er muss den Laden zusammenhalten. Wegen Michendorf soll es in Berlin nicht zur Regierungskrise kommen.

Aber es ist gelungen. Der direkt gewählte Abgeordnete im Bundestag für Michendorf hat als Bundeskanzler seine Bodenhaftung behalten. Nun sage ich dies zwar als SPD-Ortsvereinsvorsitzender und manch einer wird sagen, „er kann nicht anders“. Aber die Michendorferinnen und Michendorfer, die am 10. August in Langerwisch mit dabei waren, werden mir zustimmen können, selbst wenn sie inhaltlich mit dem, was an Kompromissen in Berlin geschlossen wird, nicht zufrieden sind. Olaf stand noch für gemeinsame Fotos zur Verfügung (dies ist immer eine echte Herausforderung für die Sicherheitskräfte). Auch gab es noch Nachgespräche in kleiner Runde mit ihm und ein Bier. Der Bundeskanzler war nicht in Eile.

(Olaf Scholz, Volker-Gerd Westphal, Otto Käthe)

Otto Käthe, Ortsvorsteher von Langerwisch, übergab zwei Bücher über den Ortsteil, auch falls Olaf Fragen zum schönen Langerwisch und seine Geschichte hat. Zugleich lud er den Bundeskanzler erneut nach Langerwisch ein, um damit eine gute alte Tradition zu beginnen – oder eigentlich schon fortzusetzen. Nicht unerwähnt blieb, dass das Ganze quasi auf einem Kita-Gelände stattfand.

Also, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, wir freuen uns sehr, wenn Du wiederkommst und wir das Gespräch regelmäßig fortsetzen können. Unser und sein besonderer Dank gilt auch dem Verein Langerwischer Bürger, die tatkräftig geholfen haben, dieses Gespräch zu verwirklichen. Es war insofern mehr als eine SPD-Veranstaltung, was auch durch die Anwesenheit von Volker Wiedersberg, dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung, deutlich wurde. Es war ein echtes Bürgergespräch für Michendorf mit dem Deutschen Regierungschef und unserem Wahlkreisabgeordneten.